Abschied von Open Access
Persönlicher Rückblick auf zwei Jahrzehnte
Liebe Open Access-Interessierte, liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach mehr als 20 Jahren werde ich die MPG verlassen. Das bedeutet auch, dass ich nicht mehr im Bereich Open Access Policy arbeiten werde.
Mein Blick zurück in Sachen Open Access reicht ziemlich weit - fast bis zu den Anfängen. Das habe ich bei den Vorbereitungen auf diesen Abschied wieder besonders gemerkt.

Als damaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Physikalischen Gesellschaft war ich schon 2002 an der Gründung der Open-Access-Zeitschrift "New Journal of Physics" beteiligt. Deshalb wurde ich von der MPG zur ersten Berlin Open Access-Konferenz eingeladen - die im Jahr 2003 aber noch gar nicht so hieß. So habe ich miterleben dürfen, wie die „Berliner Erklärung“ von damals 19 Organisationen unterzeichnet wurde. Inzwischen sind es knapp 800 geworden!
Ab 2004 war ich dann in der MPG für Fragen der Open Access Policy zuständig. Ich habe seitdem mehrere "Berlin Open Access"-Konferenzen organisiert und die erste Open-Access-Konferenz für Studierende und Nachwuchswissenschaftler:innen initiiert, die 2013 in Berlin stattgefunden hat. Das war - finde ich - eine meiner besten Ideen!
Von Anfang an war ich auch an der Planung und Umsetzung von eLife beteiligt, der Open-Access-Zeitschrift, die im Oktober 2011 vom Howard Hughes Medical Institute (USA), dem Wellcome Trust (UK) und der MPG gegründet wurde.
Die zehn Jahre, in denen ich die Open Access-Arbeitsgruppe von Science Europe leiten durfte, bedeuteten für mich die wohl „internationalste“ Zeit. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Mitgliedsorganisationen von Science Europe wurden einige damals wichtige Positionspapiere zu Open Access erarbeitet und von Science Europe verabschiedet. Die veröffentlichten Ergebnisse dieser Arbeit reichen vom 2012 veröffentlichten Positionspapier „Principles for the Transition to Open Access to Research Publications“
bis zum „Briefing Paper on Open Access Monitoring“ , mit dem diese Arbeitsgruppe Jahr 2021 endete.
Auf nationaler Ebene habe ich viele Jahre gemeinsam u.a. mit Johannes Fournier (DFG) die Open Access-Arbeitsgruppe der Allianz der Wissenschaftsorganisationen geleitet. Auch das war eine Zeit, auf die ich gerne zurückblicke.
Am wichtigsten war aber sicherlich die Zusammenarbeit in der MPG!
Der inzwischen mehr als 20-jährige Einsatz der MPG für Open Access wäre nicht möglich gewesen ohne das anhaltende forschungspolitische Engagement und die Rückendeckung durch die Präsidenten Peter Gruss und Martin Stratmann. Eine der weitreichendsten Entscheidungen war die Gründung der Max Planck Digital Library (MPDL) zum 1.1.2007, in der Ralf Schimmer konsequent die Open Access-Transformation in Deutschland und international vorangetrieben hat. Ich erinnere mich nicht, dass es ein solches Motto gab, aber aus meiner Sicht kann man diese Aktivitäten mit „Open Access möglich machen“ charakterisieren. Zusammen mit den Bibliotheken an den Max-Planck-Instituten ist so eine beeindruckende Open Access-“Landschaft“ entstanden: Auf der Basis von Verträgen mit genuinen Open Access-Verlagen und sogenannter „transformativer“ OA Verträge (einschließlich DEAL) können Autorinnen und Autoren aus der MPG in mehr als 12.500 Zeitschriften OA wählen, wenn sie Open Access publizieren wollen. Die damit verbundenen Kosten werden zentral von der MPDL übernommen.
Die Open Access-Aktivitäten haben auch international eine große Ausstrahlung. Dies liegt nicht zuletzt an der Reihe der Berlin Open Access-Konferenzen und manifestiert sich u.a. in der OA2020-Initiative, die engagiert von Colleen Campbell vorangetrieben wird. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass sich die Wissenschatsorganisationen weltweit auf gemeinsame Ziele verständigen, Erfahrungen austauschen und ihr Handeln aufeinander abstimmen.
Bei denen, die ich hier namentlich erwähnt habe, aber auch bei allen anderen, mit denen ich in dieser Zeit auf den verschiedensten Ebenen und in unterschiedlichen Kontexten zusammengearbeitet habe, möchte ich mich ganz herzlich bedanken.
Leider wachsen seit einiger Zeit wieder die geopolitischen Spannungen. Für viele stehen diese Entwicklungen im Widerspruch zum Konzept der Offenheit im Allgemeinen und stellen dann auch eine Bedrohung für die wachsende Dynamik im Bereich Open Science dar. Trotzdem hoffe ich sehr, dass sich die MPG auch in Zukunft aktiv an der Gestaltung eines wissenschaftsfreundlichen, transparenten, inklusiven, nachhaltigen und finanziell fairen Open Access-Publikationssystems als Basis von Open Science beteiligen wird, gemäß dem Schlusssatz aus dem „Mission Statement“, das zehn Jahre nach der „Berliner Erklärung“ formuliert wurde:
“It is time to return control of scholarly publishing to the scholars.”